Das große Seelen-Gelage
Das spirituelle Konzept des Seelenplans wirkt sehr starr und freudlos, dabei ist das Gegenteil der Fall.
Daniel Schaup
1/29/20252 min read


Es gibt Familien, bei denen am Kühlschrank mehrere Pläne hängen: ein Putzplan, ein Einkaufsplan, ein Essenplan. Darin findet sich der gesamte Alltag wohl geordnet in Tabellen. Jeder weiß, was er zu tun hat, was es am Donnerstag zum Abendbrot gibt und wann sich wer wo herumtreibt. Pläne sind sehr beliebt, ein Leben von Plänen geordnet, schenkt Sicherheit in unserer komplexen Welt. Wenn ich vor einem solchen Plan stehe, höre ich zunächst das Kratzen und Rauschen einer alten Schallplatte, in das sich dann allmählich die Stimme von Bert Brecht mischt, der das Lied von der Unzulänglichkeit aus der Dreigroschenoper singt: „Ja; mach nur einen Plan/sei nur ein großes Licht!/Und mach dann noch’nen zweiten Plan/gehn tun sie beide nicht./Denn für dieses Leben/ist der Mensch nicht schlecht genug:/doch sein höh’res Streben/ist ein schöner Zug.“
Ja, gehen tun sie beide nicht! Wenn ich mit meinen fast fünfzig Jahren eines gelernt habe, dann dass unser Leben alles ist, nur nicht planbar. Weshalb mich auch das Konzept eines Seelenplans stets irritiert hat, gleichzeitig jedoch fasziniert. Neben jenen Familien, bei denen die Pläne am Kühlschrank hängen, gibt es vereinzelt noch religiöse Familien, die ihre Kinder in dem Glauben erziehen, dass Gott einen Plan für ihr Leben hat und sie nur dann glücklich werden, wenn sie diesen Plan erkennen und leben. Da soll es also eine große steinerne Tafel im Himmel geben, auf der nicht nur die zehn Gebote stehen, sondern auch der Plan für mein Leben. Ich muss ihn nur lesen, so wie die Pläne am Kühlschrank, um zu wissen, wozu ich im Leben verpflichtet bin zu tun, um glücklich zu sein.
Ich gebe zu, dass ist ein verlockendes Konzept, hat aber überhaupt nichts mit jenem zu tun, das wir Seelenplan nennen. Denn den Seelenplan verfasst die Seele selbst! Sie ist nicht passiv und verpflichtet, sondern aktiv und frei. Die Seele nimmt sich für ihre Inkarnation etwas vor, das sie erleben, erfahren oder vollbringen möchte. Diesen, ihren Plan verfasst sie in jener Zeit, in der sie im göttlichen Urgrund ruht. Deshalb sind all ihre Pläne sowohl die ihren als auch Teil des kosmischen Plans, in den sie verwoben ist.
Unsere Urahnen, die Germanen und Kelten, erzählten sich dies auf ihre handfeste und deshalb eingängigere Weise: Wenn ein Mensch stirbt, setzt sich die Seele an den großen Tisch in Walhalla, um dort mit allen anderen zu essen und zu trinken, und um sich über die Erlebnisse auf der Erde auszutauschen. Hat eine Seele alles erzählt und alles gehört, wird ihr langweilig. Deshalb entscheidet sie sich, zurückzukehren auf die Erde, um neue Abenteuer zu bestehen, die sie dann dereinst wieder an diesem Tisch, natürlich etwas ausgeschmückt, zum Besten geben kann.
Aus dieser Vorstellung springt uns die Freude förmlich entgegen, um die es letztlich geht, hier und jetzt in diesem Leben und bei dem spirituellen Konzept, das wir Seelenplan nennen. Die Freude ist es, der wir folgen, um zu wissen, was unsere Seele sich vorgenommen hat.
